*Widerstand | Ästhetik & Neue Technologien*

/Der folgende Artikel wurde von Christian Heck, künstlerisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter für Ästhetik und neue Technologien an der KHM verfasst und spiegelt nicht zwangsläufig die Meinungsvielfalt und die Position der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) wieder./

Die Kunsthochschule für Medien Köln(KHM) hat im Dezember 2024 eine Zivilklausel in ihre Grundordnung aufgenommen. Diese Klausel als friedenspolitische Selbstverpflichtungist die erste, dieseit der Zeitenwende2022 in der Bundesrepublik Deutschland wieder vereinbart werden konnte. Zu befürchten ist jedoch, dass sie, zumindest im Bundesland NRW auch die letzte sein wird. Durch ein neues Bundeswehrgesetz, das Mona Neubaur (Vize-Ministerpräsidentin NRW, Bündnis 90/Die Grünen) gerade auf den Weg bringt, sollen alle Zivilklauseln in Nordrhein-Westfalenabgeschafft werden. Ein Trend, der derzeit nahezu alle politischen Lager durchzieht. [ ] ground zero @ KHMhat im Mai hierzu einenArtikelveröffentlicht:»Zivilklausel @ KHM - Kunst- und Medienbildung für den Frieden«^[0], indem argumentiert wird, dass die Notwendigkeit einer klaren Trennung von militärischer und ziviler Lehre&Forschung heute weit über die Ingenieur- und Naturwissenschaften hinaus diskutiert werden muss.

Seit Beginn des Jahrtausends werden zivile Medientechnologien zunehmend militarisiert und aktiv für hybride Kriegsführungspraxen weiterentwickelt und genutzt. Sie haben im Laufe der letzten 25 Jahre maßgeblich dazu beigetragen, gläserne Gefechtsfelder und Hyperkriege zu gestalten. Computational Propaganda, Deep-Fakes und Fake-News, russische Bot-Armeen, große KI-Sprachmodelle (LLMs) als Waffentechnologie, um nur einige Medienphänomene zu nennen.

Insbesondere letztere, durch die eine gänzlich neue Art von „Künstlichkeit“durch „intelligente“ Systeme mit Chatbot-ähnlichen Benutzeroberflächen im ISTARKontext (intelligence, surveillance, target acquisition and reconnaissance) entwickelt hat, wirft neue ethische und völkerrechtliche Fragen auf. Die mediale Öffentlichkeit erfuhr am 25. März 2025vom weltlichen Ausmaß dieser Entwicklung, durch eineRecherche desJournalistenund FilmemachersYuval Abraham im palästinensisch-israelischen Magazin +972^[1]. Seither müssen wir uns mit der Tatsache auseinandersetzen, dass KI-gestützte ISTAR-, Battle-Management (BMS)- und Entscheidungsunterstützungssysteme (AI-DSS)wie beispielsweise „Lavender” im Gazastreifen auch über KI-Chatbotszum Einsatz kommen. U.a. da diesetödlichen Chatbotsvon Soldat*innen im Gefecht auf die gleiche Weisebedient werden, wie ChatGPTvon der Zivilbevölkerung im jeweiligen Lebens- und Arbeitsalltag, müssen wir die konkreten Folgen von militärischen Operationen mittles KIauch aus der Zivilgesellschaft herausanalysieren und kritisieren lernen. Im April 2024 haben wir, derArbeitskreisgegen bewaffnete Drohnen, die Informationsstelle Militarisierung(IMI e.V.)und das Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung(FIfF e.V.) eine Stellungnahme zu Abrahams vorheriger Recherche und Publikmachungdes AI-DSS „Lavender“ in +972^[2]veröffentlicht. Wir haben in dieserargumentativ gefordert,die derzeitigen Praxendes „Targeted Killing“ mit unterstützenden KI-Systemen als Kriegsverbrechen einzustufen^[3]. An der Umsetzung dieser Forderung arbeiten wir seithertransdisziplinär undkontinuierlich.

In den letzten eineinhalb Jahren haben nahezu alle Big TechUnternehmenihre Nutzungsbedingungen für die lukrative Zusammenarbeit mit demMilitär und mitRüstungsunternehmen angepasst. Kooperationen, wie bspw.OpenAImitAnduril; Meta, der Mutterkonzern vonFacebook, WhatsApp, Insta, u.s.w.,derseineOpen SourceLlama-Modelle inzwischen auch dem RüstungsunternehmenScaleAIzur Verfügung stellt und diese gemeinsam für multidomäne Operationspraxen weiterentwickelt; auch Googleänderte nach Project Maven wieder seine Richtlinien, um im Pentagon-Großprojekt Thunderforgemit einsteigen zu können; um nur die Beispiele der mächtigsten Tech-Playerderzeit zu nennen. Diese Unternehmenstellen hierdurch abernicht nur ihre zivil erforscht und entwickeltenKI-Modelle für militärische Zwecke zur Verfügung, sondern auch ihr spezifisches Fachwissen und ihre teils aus öffentlicher Forschung heraus erarbeiteten Erkenntnisse. Auch die Erfahrungen, die diese Unternehmen durch unsere Interaktion mit ihren Plattformen und KI-Apps gemacht haben, fließen nun in die Streitkräfte. Dies wirft einen weiteren Aspekt hinsichtlich der derzeit politisch vorangetriebenen Forderung zur Öffnung der Hochschullehre für die Dual-Use-Forschung und -Entwicklung (F&E)auf, die auch den Bereich der Medien betrifft.

Im Falle der KHM stellt die Implementierung der Zivilklausel somit also in erster Linie einen politischen Ausgangspunkt dar, der Bildungseinrichtungen für Kunst und Medien einen Debattenraum eröffnet, in dem über solch neue Verantwortlichkeiten diskutiert werden kann. Über gesellschaftliche Verantwortung, die sich auch auf die Schultern von Kunst-, Kultur- und Medienarbeiter*innen legt. Just auf jene gesellschaftlichen Akteure, die mediale Inhalte entwerfen und die Medien und Medientechnologien gestalten, die sie transformieren, transportieren und die auch unser mediales Selbstbild prägen.

Die Zivilklausel an der KHM bedeutet in diesem Sinne, Hochschulen im Bereich Kunst und Medien nicht als neutrale Bildungsinstitutionen zu begreifen. Sondern als aktive Akteure in der Auseinandersetzung um Kultur, zivile Werte, Gestaltungsmacht und gesellschaftliche Verantwortung im digitalen Zeitalter. Sie macht nach außen hin deutlich, dass die KHM sich als eine „transkulturelle Gemeinschaft [versteht], in der sich Menschen mit ihren vielfältigen Herkünften, Geschichten und Sprachen respektvoll begegnen und zusammenarbeiten” (Zitat: Zivilklausel@KHM^[4]). Und dass sie dazu steht: eine klare antifaschistische Grundhaltung.

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[0] Christian Heck, “Zivilklausel@KHM - Kunst- und Medienbildung für den Frieden”, [ ] ground zero - Poetics of technics and cognition, 13. Mai 2025, https://ground-zero.khm.de/zivilklausel-khm/.

[1] Yuval Abraham, „Israel Developing ChatGPT-like Tool That Weaponizes Surveillance of Palestinians“, +972 Magazine, 6. März 2025, https://www.972mag.com/israeli-intelligence-chatgpt-8200-surveillance-ai/.

[2] Yuval Abraham, „‘Lavender’: The AI Machine Directing Israel’s Bombing Spree in Gaza“, +972 Magazine, 3. April 2024, https://www.972mag.com/lavender-ai-israeli-army-gaza/.

[3] „Senkung der Hemmschwelle durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz – Lavender und Co. sind als Kriegsverbrechen einzustufen“, FIfF e.V., 29. April 2024, https://blog.fiff.de/warnung-senkung-der-hemmschwelle-durch-kuenstliche-intelligenz/.

[4] „Grundordnung mit Zivilklausel-Beschluss des Senats der Kunsthochschule“, Kunsthochschule für Medien Köln (KHM), Dezember 2024, https://www.khm.de/download.67013a287afcaa92c34b6c4108912905_1/
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